Im extrem dünn besiedelten und schwer zugänglichen Norden von Albanien liegt ein weitgehend unbekanntes Wandergebiet – die Albanischen Alpen. Es erstreckt sich bis in den Kosovo und nach Montenegro hinein und verspricht einsame Touren in teils völlig unberührter Bergwelt. Die 10-Tages-Wanderung der „Peaks of the Balkans“ verläuft z.B. in dieser Region. Einen Vorgeschmack gibt’s bereits auf der Anreise – wenn man die Fähre über den Koman-Stausee nimmt!
Los geht’s in Shkodra!
Ein munteres Städtchen im Norden von Albanien, und es gibt einiges zu entdecken! Am besten beginnt man mit dem Rundumblick vom Burgberg.
Von der Rozafa-Burg, der übrigens laut einer Sage eine recht grausame Entstehung zugrunde liegt, bekommt man einen grandiosen Ausblick über Shkodra und den nahen Skutarisee / Shkodra-See, den sich Albanien und Montenegro zu 1/3 bzw. 2/3 teilen! Bei schönem Wetter kann man bereits das umliegende Bergland ausmachen. Kostet eine kleine Eintrittsgebühr, es gibt ein Museum und ein Restaurant auf der Burganlage. Wer’s ganz genau wissen will – zur Geschichte der Burg und weiteren Details einfach auf die Links klicken.
Auf einem Stadtrundgang hat man in zwei bis drei Stunden die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigt: die Moschee, die katholische Kathedrale St. Stefan,den Uhrturm, die bestens renovierte Altstadt, das Fotomuseum Fototeka Marubi.
Bei uns beginnt es nun zu schütten, somit wird’s leider nix mit einem Snack in einem der zahlreichen Cafés entlang der Fußgängerzone…
Wir übernachten im Hotel Tradita. Ganz im alten Stil, nette Zimmer, ein Restaurant ist auch angeschlossen.
Im Gastraum dreht sich ein Grillspieß über offenem Feuer, sehr gemütlich und wie in einem Heimatmuseum die Einrichtung.
Wir essen hervorragend. Und danach lecker Schnaps zum Abschluß eines ereignisreichen Tages!
Fährfahrt auf dem Koman-Stausee
Schon allein die Anfahrt zum Koman-Stausee ist der Wahnsinn. Kurz nach Shkodra zweigen wir von der Hauptstraße auf eine kleine und keineswegs ausgebaute, teils grottenschlechte Straße ab. Immer schmäler wird’s, und eilig haben wir es auch, wir müssen die Fähre erreichen. Regen setzt ein, ganz toll…
Nach gut zwei Stunden gut geschüttelter Fahrt kommt endlich der Staudamm bei Koman in Sicht, ein letzter Tunnel und unmittelbar dahinter der winzige Fährhafen. Unser Sprinter quetscht sich zwischen zwei andere Busse und drei Wohnmobile, dann ist die kleine Fähre bereits voll. Eine letzte Gruppe völlig durchnässter Radler quetscht sich noch dazu und los geht’s!
Für den Stausee wurde der Fluß Drin aufgestaut. 34 km zieht er sich durch die Schlucht, zwischen ca. 50 m und 400 m breit.
Der Koman-Stausee erinnert stark an einen norwegischen Fjord. Grün bebuschte Steilhänge ragen links und rechts aus dem Wasser gen Himmel empor. Letzterer ist aufgrund des Regens allerdings kaum zu erkennen. Somit gibt es auch leider nicht die erwarteten Farbenspiele auf dem Wasser und saukalt und zugig ist es zudem.
Trotzdem stehen wir begeistert fröstelnd an Deck und sind komplett überwältigt vom Anblick der gewaltigen, teils mehrere hundert Meter hohen Felswände. Nach jeder Biegung des schmalen Sees, man wähnt sich eher auf einem Fluß, tun sich neue, faszinierende Ausblicke auf. Ein tolles Erlebnis!
Nach 2 1/2 Stunden ist bei Fierza dann die Fahrt vorbei.
Es geht weiter Richtung Kosovo, bei Tropoja überqueren wir ohne Probleme die Grenze.
Für Deutsche Staatsbürger reicht hier übrigens der Personalausweis.
Wandern und kulinarisches im Kosovo
Zwischenstopp in Deçan zum Mittagessen im Restaurant Iliria. Hier entdecken wird erstmals unser Lieblingsgericht der Region: den sogenannten „Skanderbeg“, eine dünne Rolle aus flach geklopftem Rindfleisch mit Käsefüllung. Irre gut!
Ein Bummel durch Pejë
Pejë, auch Peja oder Péc genannt, ist die viertgrößte Stadt im Kosovo. Es ist erstaunlich grün, das Flüsschen Bistrica e Pejës, ein Nebenfluss des Weißen Drin, durchzieht die Stadt.
Auf unserem Streifzug schauen wir uns eine Moschee, den sehenswerten Basar Qarshia und die Innenstadt an.
Gegessen wird in unserem Hotel Karagaq, gelegen etwas oberhalb des Zentrum bzw. am zweiten Abend im Restaurant Kulla e Zenel Beut, einem traditionellen Restaurant im Herzen von Pejë.
Übrigens – sollte irgendwer aus unserer Gruppe Vorurteile gegenüber dem Kosovo gehabt haben – alle wurden enttäuscht. Wir erleben eine zwar etwas abgekämpfte, dennoch relativ saubere (im Zentrum) und aufgeräumte Stadt, die durch diverse Parks und Alleen recht grün gestaltet ist. Die Menschen sind neugierig interessiert und ausgesprochen freundlich!
Wanderung oberhalb der Rugova-Schlucht zu zwei malerischen Bergseen
Die Fahrt durch die Rugova-Schlucht, eines der TOP-Natur-Highlights im Kosovo, ist tatsächlich der Hit!
Auf immer enger werdender Piste kurven wir uns entlang der Pećka Bistrica nach oben, teils hoch über dem Fluß.
Es geht über Alm-Gelände und schließlich in den steilen Bergwald, wo wir am Hotel bzw. der Berghütte Guri i Kuq (1.409 m) stoppen.
Nun marschieren wir zu Fuß weiter. Unser Weg ist ein ganz kleines Teilstück der eingangs bereits erwähnten Fernwanderroute Peaks of the Balkans.
Der Weg ist einsam und idyllisch, wir queren ein steiles Altschneefeld.
Extrem störend ist jedoch die totale Vermüllung. Überall Dosen, Flaschen, Plastik… Eine riesen Sauerei. Zudem haben Vandalen die Hinweisschilder zertrümmert.
Oben an den beiden wunderschön gelegenen Bergseen (Liqeni i Leqinatit 1.867 m und Liqeni i Vogël 1.800 m) machen wir Brotzeit.
Und wir fassen einen Entschluß – wir machen sauber! Jeder sucht sich ein Tütchen in seinem Rucksack und los geht’s. Unglaublich, was wir auf dem Abstieg so alles aus den Büschen zerren. Und in den diversen Lagerfeuerresten an den schönsten Plätzen finden wir sogar verbrannte Wegweiser…
Schließlich kommen 10 prall gefüllte Tüten an Unrat aller Art zusammen, die wir, zurück an der Hütte, in geräumige Müllsäcke umfüllen. Sehr zum Leidwesen unseres Busfahrers laden wir ihm diese anschließend in seinen Kofferraum, mit der Bitte, diese ordnungsgemäß in Pejë zu entsorgen. Sein Gesicht spricht Bände, doch er kommt unserem Wunsch „gerne“ nach 🙂
War jetzt zwar nicht ganz im ursprünglichen Sinn unserer Tour, aber so waren wir neben der sportlichen Ertüchtigung wenigstens auch noch für einen guten Zweck unterwegs.
Zwei bedeutende Klosteranlagen im Kosovo
Am Ausgang der Rugova-Schlucht, etwa drei Kilometer westlich des Stadtzentrums von Peja, befindet sich das zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Patriarchenkloster Peć.
Es ist ein serbisch-orthodoxes Kloster, na klar schauen wir uns das auch an. Auffällig ist die Absicherung des Klosters durch KFOR-Truppen, welche eine Identitätsprüfung vornehmen. Hintergrund sind die Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo, es gab in der Vergangenheit bereits Übergriffe auf das Kloster und die darin lebenden Mönche.
Die gesamte Anlage ist wunderschön, inmitten der Mauern befindet sich ein großer Garten mit uralten Bäumen. Die Ursprüge der Kirche gehen bis ins 13. Jahrundert zurück.
Ein weiteres sehenswertes Kloster befindet sich bei Deçan: Das Kloster Visoki Dečani ist ein mittelalterliches serbisch-orthodoxes Kloster im Kosovo, das von Serbien als Teil seines Staatsgebietes betrachtet wird. Auch hier sind die Schutzmaßnahmen durch die KFOR-Truppen auffällig. Tollerweise hat ein Mitglied einer ebenfalls anwesenden großen deutschsprachigen Reisegruppe nicht davon lassen können, einen kreisenden KFOR-Hubschrauber zu filmen. So wurden, quasi als demonstrative Strafmaßnahme, gleich alle sich im Kloster befindlichen Personen angewiesen, Taschen und Rucksäcke außerhalb der Kirche abzulegen.
Nichtsdestotrotz – ein sehr lohnender Stopp: alte Fresken zieren die Kirche; ein amerikanischer Austausch-Mönch begleitet die Führung und erläutert Details. Der große sehr gepflgte Garten lädt zum Verweilen ein.
Zurück in Albanien
Wir verlassen den Kosovo über den gleichen Grenzübergang wie zwei Tage zuvor. Ein kurzer Café-Stopp in Bajram Curr, einem Örtchen, benannt nach einem Aktivisten der albanischen Nationalbewegung. Hat noch ein bißchen was vom alten kommunistischen Flair.
Und hier ist quasi das Eingangstor zum Valbona-Tal.
Unser Ziel ist das Guesthouse Kol Gjoni im Ort Valbona.
Hier machen wir noch eine kleine Wanderung zur Einstimmung: etwa eine Stunde marschieren wir hoch zum Dorf Kukaj, wo wir uns mit Kaffee, Bier und Hausgebranntem auf den folgenden langen Wandertag einstimmen.
„Königs-Wanderung“ über den Valbona-Paß
Früh geht’s raus, ein langer Tag steht bevor. Etwa 3 km die Teerstraße lang bis zum Hotel Fusha e Gjësë. Dort schwenken wir ins Schotterbett des Valbona-Flusses ein. Knapp 1,5 km später beginnt der Anstieg.
Nun marschieren wir steil hoch an der Hangseite entlang; einziger Stopp die „Bar“, mit Wasserstelle, um diese Jahreszeit (Ende Mai) jedoch noch geschlossen. Tief im Tal erkennen wir einzelne Höfe und Bauern, die noch vollkommen traditionell ihre kleinen Felder bearbeiten. Wir fühlen uns um 100 Jahre in die Vergangenheit versetzt – absolut beeindruckend, was diese Menschen hier leisten!
Es wird felsig und wir blicken auf die höchsten Gipfel von Albanien, die uns hier umrunden. Weit oben ist bereits der Vabona-Paß erkennbar.
Letzte Schneefelder machen den steilen Anstieg zu einer rutschigen Angelegenheit…
Doch alle kommen sicher oben auf 1.759m an den Paßhöhe an. Was für tolle Ausblicke; man könnte hier ewig stehen, doch der kalte Wind treibt uns weiter.
Auf dem Abstieg machen wir etwa zur Halbzeit Rast. Hier hat ein findiger junger Mann eine Bar errichtet. Genau rechtzeitig, ein massiver Schauer geht nieder. Bei Bier und Tee samt Brotzeit überstehen wir den schlimmsten Regen im Trockenen und steigen anschließend weiter ab nach Theth.
Unsere Unterkunft heißt Bujtina Berishta und ist wieder einmal relativ schick. Ist echt irre, was hier in dieser völlig abgeschiedenen Gegend für ein Komfort geboten wird.
Überall wird rege gebaut, wir hoffen, dass das aber in geregelten Bahnen läuft. Das hiesige unbezahlbare Kapital ist schließlich die unberührte Natur – und die sollte zwingend erhalten bleiben…
Ein Bierchen in der Bar unten am Fluß, lecker Abendessen im Berishta und ab ins Bett, das war ein langer, anstrengender Tag!
Spazieren im weitläufigen Theth
Theth hat aber auch noch jede Menge mehr zu bieten! Wir erwandern den Blutrache-Turm, die Kirche und den über 30 Meter hohen Grunas-Wasserfall. Um uns herum unglaublich grüne Natur. Man spürt den immensen Wasserreichtum dieser Gegend überall!
Wir verlassen Theth über die unasphaltierte Straße und den 1.630m hohen Terthorja-Pass, der in der Regel bis ins späte Frühjahr schneebedeckt ist. Die Fahrt dauert etwa zwei Stunden, bis endlich wieder Teer unter den Reifen auftaucht.
Absolut irre ist, daß unser Taxi-Bus bereits knappe 894.000 km auf dem Tacho hat – der noch dazu vor 3 Jahren seinen Dienst quittiert hat!
Umso mehr bewundern wir nach diesen Erlebnissen die Menschen, die hier unter diesen schwierigen Bedingungen ihr unglaublich hartes Leben führen!
Unsere Tour endet schließlich, wo sie begonnen hat – in Shkodra.
Fazit
Wer Albanien bereist, sollte diese Region auf keinen Fall auslassen. Die Übernachtungen in den genannten Gebieten sind absolut sinnvoll. Die ebenfalls buchbaren Tagestouren vermitteln aus unserer Sicht nur einen unzureichenden Eindrück von den Schätzen der Albanischen Alpen und den Menschen, die diese bewohnen.
Eine Anmerkung zum Schluß
Da ich in diesem Artikel Verknüpfungen zu Unterkünften nenne, muß ich ihn aus rechtlichen Gründen als unbezahlte Werbung deklarieren.